Gewerbegebiet Karweidach – bedauerliche Realität

Wenn in Oberstdorf ein Baum gefällt wird, kann es sein, dass bei den Grünen das Telefon läutet. Wenn – wie jetzt beim Bau des neuen Gewerbegebiets Karweidach – sehr viele Bäume gerodet werden, dann ist das nahezu sicher.

Und das ist verständlich. Alle, die zum Thema Mitwelt und Naturschutz sensibel sind, sind in hohem Maße betroffen und traurig, wenn sie die gerodete Fläche sehen. Da in diesem Fall Fotos die Realität nicht wirklich wiedergeben können, raten wir allen, sich die Situation direkt vor Ort selber anzuschauen. Die Tatsache, dass wir derzeit in Bayern täglich ca. 16 Fußballfelder Natur vernichten, wird so plötzlich vor Ort begreifbar.

Bei dem betroffenen Wald handelt es sich laut offiziellem gutachterlichem Fazit um einen geschützten Auwald. Die Untersuchungen im Rahmen der Gutachten für den geplanten Bebauungsplan zeigten, dass im Gebiet mindestens 34 verschiedene Brutvogelarten mit 117 Brutpaaren vorkommen, ausserdem wurden auch noch der gefährdete Gelbspötter und der Kernbeißer gefunden. Besonders artenreich ist das jetzt gerettete Auwaldgebiet. Im nahen Umfeld wurden zusätzlich die streng geschützten Arten Rotmilan, Schwarzmilan und Schwarzspecht nachgewiesen. Unter den Vogelarten sind auch Arten mit hoher Bedeutung für den Naturschutz im Landkreis Oberallgäu wie z.B. der Waldlaubsänger. Viele dieser Vogelarten benötigen unbedingt alten Baumbestand als Lebensraum. Hier finden Sie eine Hörprobe für den typischen Gesang des Waldlaubsängers.

Wenn nun aber Grüne beschuldigt werden, dass sie es zugelassen haben, dass im verkleinerten Gebiet die Rodung stattfindet, dann ist das die falsche Adresse. Es war eine breite Bewegung von besorgten Bürgern aus fast allen Parteien, die über eine Bürgerinitiative versucht hat, das Gewerbegebiet mitten im Auwald zu verhindern. Alternativen wurden vorgeschlagen u.a. auch von Sigi Rohrmoser von der grünen Fraktion. Von der Bürgerinitiative wurden 1786 Unterschriften gesammelt, davon 786 von Oberstdorfer Bürgern.

Am Ende hat das Thema Karweidach mit dazu beigetragen, dass der vorherige Bürgermeister bei der letzten Kommunalwahl abgewählt wurde. Das, was wir jetzt sehen, ist ein Kompromiss, der als Wahlversprechen von Bürgermeister Klaus King nun umgesetzt wird. Dass es soweit kam, ist ganz klar mit ein Verdienst der Grünen.

Leider war eine vollständige Verhinderung des Gewerbegebiets Karweidach bei der derzeitigen politischen Situation einfach nicht möglich. Dafür bräuchten wir deutlich höhere Wahlergebnisse zugunsten der Grünen. Allen, die nicht oder nicht grün gewählt haben, muss klar sein, dass sie  ein Stück Auwaldabholzung begünstigt haben.

Wir sollten uns nun aber auch bewußt machen, was erreicht werden konnte:

  • Von den geplanten etwa 6,4 Hektar konnten etwa 1,8 ha wertvoller Auwald gerettet werden. Das ist der grün eingezeichnete Bereich im Bild.
  • Berücksichtigt man die schon um das Jahr 2000 herum gerodete Fläche für die geplante Mineralwasserabfüllanlage, so wird klar, dass nun nur etwa die Hälfte des ursprünglich für die Rodung vorgesehenen Waldes jetzt gerodet wurde.
  • Zusätzlich hat die Bürgerinitiative noch erreicht, dass der Wanderweg auf der Westseite erhalten bleibt und damit auch der dahinter liegende Wald. Die existierenden Wanderwege bleiben so weitgehend erhalten. Über die Qualität von Wanderwegen, die direkt an Gewerbebauten vorbeiführen kann man natürlich streiten.
  • Die Höhe der Gebäude wurde um 4m reduziert.
  • Der Wald wurde zusätzlich im Flächennutzungsplan von Gewerbegebiet wieder zu Wald umgewidmet. Das erschwert eine eventuelle zukünftige Ausweitung des Gewerbegebietes, macht sie aber natürlich nicht unmöglich.
  • Die geplante Osttangente um Oberstdorf herum ist Geschichte, da bei deren Beibehaltung das Gewerbegebiet geteilt und damit zu klein geworden wäre. Der Flächennutzungsplan wurde entsprechend geändert.
  • Ein kleiner Trost mag sein, dass in der Planung um das ganze Gebiet ein Grüngürtel u.a. als Sichtschutz vorgesehen ist. Es wird also nicht die gesamte Fläche bebaut. Allderings wird es einige Jahrzehnte dauern, bis der Grüngürtel eine ausreichende Höhe erreicht hat.

Zur Einschätzung der aktuellen Planung hilft auch die Stellungnahme der Bürgerinitiative.

Wichtig ist nun, dass wir alle aufpassen, dass das Gewerbegebiet unter den vereinbarten Randbedingungen umgesetzt wird.

Wir hoffen auch, dass sich immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass es ein ewiges weiteres Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht geben kann. Bereits jetzt wirtschaften wir in Deutschland so, als ob wir 3 Erden zur Verfügung hätten. Der Klimawandel und auch die Corona Krise zeigen uns mit zunehmender Härte, dass wir hier auf dem Holzweg sind.

Dazu passt das Zitat von Dalai Lama:

„Unsere gemeinsame Mutter Natur zeigt ihren Kindern immer deutlicher, dass ihr der Geduldsfaden gerissen ist.“